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Prokrastination als Produktivitätsbooster: Die Kunst des kreativen Aufschiebens

Von
Harald Vogl
Lesezeit lt. Script

Wer kennt es nicht? Die Deadline rückt immer näher, und statt endlich loszulegen, findet man sich plötzlich in den Tiefen des Internets wieder – fasziniert von der Frage, ob Ameisen wirklich zusammenarbeiten oder ob sie heimlich Gewerkschaften gegründet haben. Prokrastination hat in der modernen Arbeitswelt einen schlechten Ruf. Doch was, wenn das ständige Aufschieben tatsächlich der Schlüssel zu besserer Produktivität sein könnte? Willkommen zur ultimativen Verteidigung der Prokrastination: Warum es mehr als nur Faulheit ist, sondern vielleicht sogar ein genialer Produktivitätsbooster.

Was ist Prokrastination überhaupt?

Prokrastination – das Wort alleine klingt schon nach einer Ausrede, die von jemandem erfunden wurde, der dringend sein Zimmer aufräumen sollte. Ursprünglich leitet sich der Begriff aus dem Lateinischen „pro“ (für) und „crastinum“ (morgen) ab. Übersetzt heißt es also nichts anderes als „auf morgen verschieben“. Doch woher kommt dieser Drang, Dinge vor sich herzuschieben, die man eigentlich sofort erledigen könnte?

Im Kern beschreibt Prokrastination den Akt des Aufschiebens einer geplanten Handlung, obwohl man sich der negativen Konsequenzen bewusst ist. Das klingt zunächst wie eine schlechte Angewohnheit – ist es oft auch. Aber in bestimmten Fällen, wenn man das Ganze richtig angeht, kann genau dieses Aufschieben zu kreativen Lösungsansätzen führen. Diesen positiven Aspekt der Prokrastination wollen wir genauer beleuchten.

Die Evolution der Prokrastination: Vom Überlebensinstinkt zum Arbeitskiller

Man stelle sich vor, unsere Vorfahren vor 100.000 Jahren hätten Prokrastination praktiziert. Statt direkt auf die Jagd zu gehen, hätten sie vielleicht erst einmal überlegt, ob der Säbelzahntiger da drüben nicht einen schlechten Tag hat und vielleicht lieber in Ruhe gelassen werden sollte. Mit anderen Worten: Das Zögern könnte ein Mechanismus gewesen sein, der in gefährlichen Situationen das Überleben gesichert hat. „Lieber noch mal überlegen, bevor man den Tiger streichelt“ – klingt doch sinnvoll, oder?

Mit der Zeit hat sich diese Fähigkeit, innezuhalten und nachzudenken, weiterentwickelt. Doch während sie früher half, den nächsten Speerwurf zu planen, führt sie uns heute eher in die Abgründe von YouTube-Videos mit den „10 peinlichsten Politiker-Reden aller Zeiten“. Die Prokrastination hat sich zu einer Art Anti-Produktivitätsmittel entwickelt, das in einer Welt der permanenten Erreichbarkeit und der To-do-Listen auf Steroiden als Hindernis wahrgenommen wird. Doch dabei gibt es auch eine andere Seite der Medaille.

Die kreative Seite des Aufschiebens: Wenn das Gehirn auf Wanderschaft geht

Es gibt zahlreiche Studien, die darauf hinweisen, dass kreatives Denken dann gefördert wird, wenn das Gehirn „herumwandern“ darf. Das passiert häufig genau in den Momenten, in denen man Dinge aufschiebt. Denn beim Prokrastinieren ist das Gehirn nicht völlig inaktiv – im Gegenteil. Es beschäftigt sich weiter mit dem Problem, aber auf einer unbewussten Ebene. Diese mentale Pause kann helfen, neue Ideen zu generieren und innovative Lösungen zu finden, die im hektischen Arbeitsalltag sonst verborgen geblieben wären.

Das bedeutet nicht, dass man jetzt fröhlich alle Aufgaben auf die lange Bank schieben sollte. Die Kunst besteht darin, das Aufschieben bewusst zu gestalten und es als Teil des kreativen Prozesses zu akzeptieren. Man spricht hier auch von der sogenannten „strategischen Prokrastination“.

Strategische Prokrastination: Der sanfte Weg zur Produktivität

Strategische Prokrastination ist kein Freifahrtschein für endloses Faulenzen. Sie bedeutet, gezielt Aufgaben zu verschieben, um dem Gehirn Zeit zu geben, sich auf natürliche Weise mit einer Problemlösung auseinanderzusetzen. Ein gutes Beispiel ist der Schriftsteller Victor Hugo, der für seine Prokrastination berüchtigt war. Als die Deadline für „Der Glöckner von Notre-Dame“ näher rückte, schloss er sich selbst in seinem Haus ein, um Ablenkungen zu vermeiden – nachdem er natürlich erst einmal tagelang gar nichts getan hatte.

In dieser Phase des „Nichts-Tuns“ entstehen oft die besten Ideen, weil der kreative Teil des Gehirns die Chance hat, ohne Druck zu arbeiten. Plötzlich fällt einem der fehlende Dreh- und Angelpunkt der Präsentation ein oder eine besonders witzige Pointe für den nächsten Blogartikel. Prokrastination als kreative Aufwärmübung? Ja, genau das ist es!

Der wissenschaftliche Blick: Warum wir prokrastinieren

Prokrastination ist kein neues Phänomen, das erst mit der Einführung von Instagram und Co. aufgetreten ist. Bereits in der Antike hat der Philosoph Sokrates über die „Akrasia“ gesprochen – das Phänomen, etwas zu tun, obwohl man weiß, dass es nicht im eigenen Interesse ist. Auch im Mittelalter wurde das Aufschieben nicht als Faulheit angesehen, sondern als Versuch, den eigenen inneren Konflikten zu entkommen.

Doch warum verschieben wir Aufgaben, obwohl wir wissen, dass das schlecht für uns ist? Eine der populärsten Theorien dazu stammt aus der Psychologie und ist als „Temporal Motivation Theory“ bekannt. Diese Theorie besagt, dass unsere Motivation eine Funktion von Erwartung, Wert und Zeit ist. Kurz gesagt: Je weiter entfernt eine Deadline ist, desto weniger Wert und Antrieb hat eine Aufgabe für uns. In der modernen Arbeitswelt, in der alles sofort erledigt werden muss, kann das schnell zu einem Burnout führen – es sei denn, man lernt, die Prokrastination für sich arbeiten zu lassen.

Prokrastination in der Praxis: Wie Aufschieben helfen kann, den Flow zu finden

Der sogenannte „Flow-Zustand“, bei dem man vollkommen in einer Aufgabe aufgeht und die Zeit vergisst, ist für viele Menschen das ultimative Ziel bei der Arbeit. Doch wie gelangt man dorthin? Manche Studien legen nahe, dass eine kurze Phase der Prokrastination helfen kann, in den Flow zu kommen. Denn wer sich zwingt, eine Aufgabe sofort anzugehen, blockiert oft die eigenen kreativen Gedanken. Das bewusste Hinauszögern kann hingegen helfen, die Aufgabe mit neuer Energie und frischem Blickwinkel anzugehen.

Diese Art des gezielten Aufschiebens funktioniert besonders gut bei Aufgaben, die eine gewisse Kreativität erfordern, wie z. B. das Schreiben, Problemlösen oder Planen neuer Projekte. Natürlich sollte man dabei den Balanceakt nicht vergessen: Wer es übertreibt, landet schnell wieder im Sumpf der endlosen Ablenkungen.

Prokrastination als Anti-Perfektionismus-Strategie

Ein oft übersehener Vorteil der Prokrastination ist die Tatsache, dass sie einem dabei helfen kann, den inneren Perfektionisten in Schach zu halten. Denn wer ständig aufschiebt, hat am Ende oft nicht mehr die Zeit, jedes kleine Detail zu perfektionieren – und das ist gut so! Manchmal sind es genau die unperfekten, schnellen Lösungen, die am besten funktionieren.

Statt stundenlang über die perfekte Formulierung nachzudenken, bringt man den Artikel schnell zu Papier – so wie diesen hier. Und siehe da: Der Text entwickelt sich fast von selbst, während der innere Kritiker zwischendurch den Raum verlassen hat, um vielleicht kurz die Twitter-Timeline zu checken.

Die Historie der Prokrastination: Von Sokrates bis Silicon Valley

Wie bereits erwähnt, ist Prokrastination kein neuzeitliches Phänomen. Bereits Sokrates stellte fest, dass Menschen oft wider besseres Wissen handeln. Im Mittelalter wurde Prokrastination von der katholischen Kirche als eine der sieben Todsünden – die Trägheit – eingestuft. Heutzutage jedoch hat sich der Blick auf Prokrastination verändert. In einer Welt, in der Silicon Valley CEOs wie Elon Musk ihre 80-Stunden-Wochen zelebrieren, wird das Aufschieben zur „unproduktiven Tugend“ umgedeutet.

Doch genau diese „Tugend“ könnte das Geheimnis hinter einigen der größten Erfindungen der Neuzeit sein. Berühmte Prokrastinatoren wie Steve Jobs oder Bill Gates haben bekanntlich Aufgaben hinausgezögert, um ihren kreativen Instinkten zu folgen. Ob das bewusste Aufschieben oder einfach nur ein Talent zum Faulenzen dahinter steckt, ist schwer zu sagen. Tatsache ist jedoch: Manchmal hilft der Weg der Prokrastination, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

Checkliste: Wie prokrastiniere ich am Besten

Diese Checkliste kann dir helfen, Prokrastination bewußt als Strategie zu nutzen – nicht, um faul zu sein, sondern um kreativer, fokussierter und entspannter an deine Aufgaben heranzugehen!

  • Finde deinen eigenen Aufschiebe-Rhythmus: Verschiebe Aufgaben bewusst und teste aus, ob deine Kreativität mit einer kleinen „Morgen-geht's-los“-Pause an Fahrt gewinnt.
  • Strategisch auf die lange Bank schieben: Wähle bewusst die richtigen Aufgaben zum Aufschieben – es sollten solche sein, die durch ein paar Tage Nachdenken besser werden (Präsentation oder Konzept). So fühlst du dich produktiv, auch wenn du erstmal nichts tust!
  • Gib deinem Gehirn eine Denkpause: Gönn dir Momente des Tagträumens oder der „unproduktiven“ YouTube-Recherche – manchmal entsteht genau dann der entscheidende Geistesblitz.
  • Perfektionismus überwinden durch Zeitdruck: Warte mit dem Start, bis du keine Zeit mehr hast, um alles zu perfektionieren. So konzentrierst du dich automatisch auf das Wesentliche.
  • Schalte bewusst in den kreativen Modus: Nutze das Aufschieben, um deinen Kopf mit alternativen Denkweisen und Ideen zu füttern – vielleicht inspiriert dich der 37. TikTok über Brotsorten ja doch zu einer Lösung deines Problems.
  • Mach dir bewusst: Prokrastination ist erlaubt! Lass den Gedanken zu, dass Aufschieben auch positive Effekte haben kann. Du sammelst geistige Ressourcen und arbeitest im Hintergrund an den wirklich wichtigen Lösungen.
  • Nutze das Aufschieben, um deinen Flow zu finden: Verschiebe Aufgaben so lange, bis du das Gefühl hast, dass es „klick“ macht und du dich wirklich bereit fühlst. Dein Flow-Zustand wartet nur auf diesen Moment.

Harald Vogl
Pupinko Gründer